Institut für Kunstgeschichte

Forschungsprojekte

Kloster Müstair - Die Stuckstatue Karls des Grossen

1. ZUSAMMENFASSUNG

Die Stuckstatue Karls des Grossen in Müstair ist eine der Ikonen der schweizerischen Kunstgeschichte. Als ein Hauptwerk der mittelalterlichen Skulptur erscheint sie oft im europäischen Zusammenhang als Visualisierung von Karl als Pater Europae. So bekannt die Skulptur ist, so unbekannt und umstritten bleibt ihre Genese und Datierung (8.–12. Jh.). Das vorliegende Projekt untersucht auf interdisziplinärer Ebene unter Beteiligung der Kunstgeschichte, Geschichte, Restaurierungs- und Materialwissenschaften, die komplexe Bedeutung, Entstehung und Lokalisierung dieser so bedeutenden Plastik.

Ziel des Projektes ist, mittels komplementärer und vergleichender Untersuchungsmethoden den materiellen Bestand der Stuckstatue Karls des Grossen zu erfassen, in neuartiger Weise zu dokumentieren und damit den Fragen nach ihrer Entstehung, Veränderung, Funktion und letztlich der Datierung beantworten zu können. Die Forschungskontroverse um die Karlsfigur der letzten sechs Jahrzehnte zeigt, dass eine stilgeschichtlich argumentierende Kunstgeschichte allein nur marginale Fortschritte erzielen kann. So wie sich die Statue heute präsentiert, stellt sie ein Palimpsest aus verschiedenen Jahrhunderten dar. Damit stösst eine oberflächliche Analyse an ihre Grenzen. Viele Alters- und Entwicklungsspuren wurden geglättet, die Werktechnik verschleiert und die Nahtstellen verunklärt. Dabei ist es für die Analyse und Interpretation dieser Stuckplastik zentral, ihren Aufbau, die Anstückungen als Entwicklungsschritte in archäologisch-stratigrafischer Weise zu erfassen, um schliesslich zu einer kohärenten Analyse gelangen zu können. In diesem Sinne legt das Projekt besonderen Wert auf einen interdisziplinären Ansatz, der neben der verantwortlichen Kunstgeschichte und Archäologie weitere Disziplinen wie Restaurierung, Materialwissenschaft und Archäometrie integral einbindet. Damit ist gewährleistet, dass eine Bestandsanalyse fast ausschliesslich mit berührungsfreien Methoden stattfinden kann. Diese Methoden haben in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht; sie bedienen sich mobiler Untersuchungsmöglichkeiten, die direkt an das Objekt gebracht werden können. Auf kunstgeschichtlicher Ebene eröffnet sich die Chance, die chronologische Stellung der Statue zu verifizieren und sie im Kontext der zeitgenössischen frühmittelalterlichen Plastik zu verorten.

Im Februar 2014 wurde eine umfangreiche Röntgenaufnahme der Statue durch die BUDEKO mit der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) erstellt, die einige Aufschlüsse über den Aufbau der Statue erbracht hat. Ebenso erlauben es die fortschreitenden restauratorischen und materialtechnischen Untersuchungen, neue Erkenntnisse über Veränderungen, Farbfassungen und Materiaität zu gewinnen.

Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten, die es erlauben, die Unklarheiten der Karlsstatue umfassend zu klären und angesichts des 1200. Todestages Karls des Grossen bis zum Jahre 2017 eine abschliessende Untersuchung vorzulegen.